Das Lipödem ist eine chronische, fortschreitende Erkrankung des Fettgewebes, die hauptsächlich Frauen betrifft. Obwohl die ersten Symptome häufig bereits in der Pubertät oder im jungen Erwachsenenalter auftreten, wird die Diagnose in vielen Fällen erst spät gestellt – manchmal sogar erst im höheren Alter. Besonders bei älteren Frauen bleibt das Lipödem oft unerkannt oder wird mit anderen Erkrankungen verwechselt, was die richtige Behandlung erschwert. Doch warum wird das Lipödem im Seniorenalter so häufig übersehen? Welche Besonderheiten gibt es bei der Symptomatik? Und warum fällt die medizinische Anerkennung dieser Krankheit gerade bei älteren Betroffenen oft schwer?
Unterschiedliche Symptome bei jüngeren und älteren Betroffenen
Das Erscheinungsbild des Lipödems kann sich im Laufe des Lebens verändern, wodurch die Krankheit bei älteren Menschen schwerer zu diagnostizieren ist. Während sich in jüngeren Jahren meist eine symmetrische Fettvermehrung an den Beinen (seltener an den Armen) zeigt, können im Seniorenalter zusätzliche Faktoren hinzukommen, die die Erkennung erschweren.
- Fortgeschrittene Stadien des Lipödems
- Im höheren Alter liegt das Lipödem oft in einem fortgeschrittenen Stadium vor. Die Fettgewebsvermehrung ist ausgeprägter, und es kommt vermehrt zu Fibrosen (Verhärtungen im Gewebe), die das typische weiche Erscheinungsbild der Fettpolster verändern.
- Zusätzlich tritt oft eine vermehrte Wassereinlagerung (sekundäres Lymphödem) auf, was die Diagnose noch schwieriger macht.
- Schmerzwahrnehmung verändert sich
- Während junge Frauen häufig über einen starken Druck- und Berührungsschmerz klagen, tritt dieser bei älteren Betroffenen manchmal in den Hintergrund.
- Viele ältere Menschen nehmen Schmerzen aufgrund altersbedingter Sensibilitätsveränderungen oder durch die Einnahme von Schmerzmitteln anders wahr.
- Zunahme anderer altersbedingter Erkrankungen
- Mit dem Alter steigt das Risiko für Arthrose, Venenleiden oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die ebenfalls zu Schwellungen und Bewegungseinschränkungen führen können.
- Diese Begleiterkrankungen überdecken oft die Lipödem-Symptomatik oder werden vorrangig behandelt, während das Lipödem unbeachtet bleibt.
Verwechslung mit Adipositas oder anderen Erkrankungen
Ein großes Problem in der Diagnosestellung ist die Verwechslung des Lipödems mit anderen Erkrankungen, insbesondere mit Adipositas. Gerade bei älteren Menschen, die über Jahrzehnte hinweg mit Übergewicht zu kämpfen hatten, wird eine Lipödem-Diagnose oft nicht in Betracht gezogen.
- Lipödem vs. Adipositas
- Bei Adipositas verteilt sich das Fettgewebe gleichmäßig über den gesamten Körper, während es sich beim Lipödem meist auf die Beine (und seltener auf die Arme) konzentriert.
- Das Lipödem ist hormonabhängig und tritt unabhängig von der Ernährung auf. Eine Diät oder Gewichtsabnahme führt nicht zur Reduktion der betroffenen Fettpolster.
- Beim Lipödem sind zudem Blutergüsse und Berührungsempfindlichkeit häufig, während diese Symptome bei Adipositas nicht auftreten.
- Verwechslung mit Lymphödemen
- Im Alter können sich vermehrt sekundäre Lymphödeme entwickeln, insbesondere durch venöse Insuffizienz oder nach Operationen.
- Während sich das Lipödem symmetrisch zeigt, tritt das Lymphödem meist einseitig auf und führt zu einer ausgeprägten Schwellung mit Hautveränderungen.
- Venenerkrankungen und chronische Wassereinlagerungen
- Gerade bei älteren Menschen werden geschwollene Beine oft auf venöse Probleme zurückgeführt, etwa auf eine chronisch venöse Insuffizienz oder eine Herzinsuffizienz.
- Diese Erkrankungen führen ebenfalls zu schweren Beinen und Schwellungen, sind aber durch andere Ursachen bedingt.
Die Abgrenzung zwischen Lipödem, Adipositas und anderen Ödemformen ist für viele Mediziner eine Herausforderung. Wenn Ärzte nicht speziell auf das Lipödem geschult sind, wird die Erkrankung leicht übersehen oder fehlinterpretiert.
Schwierigkeiten bei der medizinischen Anerkennung im Alter
Die medizinische Anerkennung des Lipödems ist für Betroffene aller Altersklassen schwierig, aber für ältere Patientinnen gibt es zusätzliche Hürden.
- Unzureichendes Wissen in der Ärzteschaft
- Viele Ärzte sind mit der Lipödem-Symptomatik nicht ausreichend vertraut und sehen es fälschlicherweise als eine reine Gewichtsproblematik an.
- Hausärzte und Allgemeinmediziner, die ältere Patienten betreuen, haben oft nicht das spezifische Wissen zur Differenzialdiagnose von Lipödem und anderen Fettverteilungsstörungen.
- Keine standardisierten Diagnoseverfahren
- Die Diagnose des Lipödems erfolgt weitgehend klinisch, da es bislang keine eindeutigen Laborwerte oder bildgebenden Verfahren gibt, die die Erkrankung zweifelsfrei nachweisen können.
- Bei älteren Menschen sind die Symptome jedoch oft durch Begleiterkrankungen überlagert, sodass eine eindeutige Diagnosestellung erschwert wird.
- Eingeschränkte Therapiemöglichkeiten für ältere Patienten
- Während jüngere Frauen oft noch die Möglichkeit einer Liposuktion (Fettabsaugung) haben, ist dies bei älteren Patientinnen häufig schwieriger.
- Kompressionstherapie, die als Hauptbehandlung empfohlen wird, kann für ältere Menschen problematisch sein, da sie oft Schwierigkeiten haben, die Strümpfe selbstständig anzulegen.
- Physiotherapie, Lymphdrainage und Bewegungstherapie sind zwar sinnvoll, aber nicht immer leicht in den Alltag eines Senioren zu integrieren.
- Probleme mit der Kostenübernahme durch Krankenkassen
- Die Kosten für eine Liposuktion werden nur unter bestimmten Voraussetzungen übernommen, was für ältere Menschen oft eine finanzielle Belastung darstellt.
- Zudem kann es schwieriger sein, eine medizinische Notwendigkeit nachzuweisen, wenn die Erkrankung erst spät diagnostiziert wird.
Fazit: Mehr Bewusstsein für Lipödem im höheren Alter erforderlich
Das Lipödem bleibt bei älteren Menschen häufig unentdeckt, da es mit Adipositas, Lymphödemen oder venösen Erkrankungen verwechselt wird. Zudem verändern sich die Symptome im Laufe der Zeit, wodurch es für Ärzte schwieriger wird, eine klare Diagnose zu stellen. Die mangelnde medizinische Anerkennung erschwert es vielen älteren Patientinnen, eine angemessene Behandlung zu erhalten.
Um dies zu ändern, ist ein besseres Bewusstsein für das Lipödem im höheren Alter notwendig – sowohl in der Ärzteschaft als auch bei den Betroffenen selbst. Nur durch gezielte Aufklärung und differenzierte Diagnoseverfahren kann sichergestellt werden, dass ältere Frauen mit Lipödem die richtige Behandlung erhalten und ihre Lebensqualität verbessert wird.